Das Jahr 2004 - Bald geht es wieder nach Jutta!

Die erste Hiobsbotschaft im neuen Jahr war, dass meine Ergotherapeutin Frauke mit einer Blinddarmentzündung vorerst ausfällt. Aber, ich würde eine Vertretung für Frauke bekommen. Ich traute meinen Augen und meinen Ohren nicht, Dorothee, die Praktikantin von Frauke kam herein und sagte ganz locker: So Peter, ich werde mit dir jetzt ein paar Übungen machen. Hallo dachte ich, was läuft hier ab? Bevor ich überhaupt zu Ende denken konnte, ging zur Sache. Na ja dachte ich, irgendwie müssen die Praktikanten das auch erlernen und habe sie gewähren lassen. Oh Mann, oh Mann, was hat die mich herumkommandiert, ich habe fast nichts richtig gemacht und was sie für einen Ton an sich hatte, sie hatte bestimmt geglaubt, ich hätte nicht alle Tassen im Schrank. Sie sprang mit mir um, wie mit einem kleinen Kind, Peter du musst das so machen, du machst das nicht richtig und... sie vergriff sich manchmal gewaltig im Ton. Auch bei den nächsten Terminen sprang sie so mit mir um. Es schien nicht so, es war so, Dorothee hatte absolut keinen Respekt vor mir. Ich habe nichts dagegen, wenn man mich duzt, aber wie Dorothee an die Sache ging, war einfach dreist und unverschämt. Somit waren die letzten Sympathien auch den Bach runter gegangen.

Eines Tages tauchte unverhofft Dr. Albacht auf. In seinem Schreiben hatte er uns bereits mitgeteilt, dass er Ende Januar die Praxis an einem Nachfolger übergeben wird. Während unseres Gespräches kam Dr. Albacht auf meinen Zustand zu sprechen. Ich gab ihm zu verstehen, dass meine Mobilität nachgelassen und das sich mein Gang Bild verschlechtert hat. Tja Herr Arens, ich rate ihnen, wieder zu ihrer Cousine, Frau Blombach zu gehen. Wie ich das beurteilen kann, haben sie mit ihr wesentlich bessere Ergebnisse erzielt.

Ich weiß, sagte ich, aber [...]. Nichts aber Herr Arens, sie müssen an sich und die Zukunft denken, es hilft ihnen nichts, wenn sie sich irgendwo, nur aus Sympathie therapieren lassen. Ja, ich weiß sagte ich, aber mir fällt das nicht so leicht zu sagen, Schluss aus, ich lass mich jetzt wo anders therapieren. Das müssen sie wissen, Herr Arens, dass ist allein ihre Entscheidung. Als Dr. Albacht ging, sagte er uns, er würde in den nächsten Tagen uns seinen Nachfolger vorstellen.

An diesem Samstag ist Dany mit den Kindern nach Remscheid gefahren. Plötzlich rief Philipp an und sagte, dass sie einen Autounfall hatten. Bevor sich meine Spastik in die Gänge setzen konnte, habe ich gefragt, ist euch was passiert? Nein, sagte Phil, es ist uns an einer Stoppstraße jemand hinten drauf gefahren. Gott sei Dank, außer Blechschaden ist nichts passiert.

Die Worte von Dr. Albacht gingen uns nicht aus dem Kopf. Da muss ich ihm Recht geben, in der Zeit bei Jutta habe ich wirklich sehr gute Ergebnisse erzielt. OK, da hatte Dany ganz schön mitgewirkt. Wenn ich überlege, wie gut ich gegangen war. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich an den 26. Januar 2001 denke. Da bin ich aufrecht gegangen und habe einen richtigen Schritt mit meinem betroffenen Bein gemacht. Ja, ich konnte mit der Ferse aufsetzen und fast abrollen. Unglaublich, was ich in der Zwischenzeit eingebüßt habe. Was mache ich, gehe ich wieder zur Jutta, oder soll ich bleiben?

Gott sei Dank, Frauke war wieder da und die Ergo lief wieder unter einer angenehmeren Bedingung ab. In dieser Zeit hatte es geschneit. Im Glauben, dass am Therapiezentrum in Wipperfürth der Schnee geräumt ist und das man gestreut hat, sind wir wieder zur Therapie nach Wipperfürth. Böse Überraschung, weder am Parkplatz, noch vor dem Eingang zum Therapiezentrum war geräumt, noch gestreut. Dany fuhr mit dem Wagen bis an die Türe. Ich bekam Angst, mit den Joggingschuhen auf den glatten Boden zu treten und mich dann in den Rollstuhl zu setzen. Während Dany fluchend über die fatale Situation den Rollstuhl heranschob, versuchte ich vorsichtig aus dem Auto zu steigen. Die Spastik schoss ein, ich wurde wieder stocksteif... und hatte höllische Angst, zu fallen. Dany würde mich unter keinen Fall halten können, wenn ich ausrutschen sollte.

Mit Müh und Not haben wir es geschafft. Mit Wut im Bauch sind wir dann zur Therapie. Wir haben Frauke unseren Zorn mitgeteilt und das wir nicht gewillt sind, uns diesen Gefahren auszusetzen und würden erst dann wieder kommen, wenn vernünftig geräumt ist, oder wenn der Schnee weg ist.

Wir erhielten eine traurige Nachricht

Das neue Jahr war gerade mal sieben Wochen alt, da erwischte uns eine unerfreuliche Nachricht. Dany war gerade mit der Unterbodenwäsche bei mir fertig, da klingelte das Telefon. Es ist meistens nichts Gutes, wenn das Telefon so früh am Morgen klingelt. Kurz darauf stand Dany mit Tränen in den Augen in der Türe und sagte mit leiser Stimme, Hans-Martin ist gerade gestorben. Obwohl wir wussten, dass es bald mit ihm zu Ende gehen würde, hat es mir die Füße weggezogen. Meine Stimmung in der letzten Zeit war nicht die Beste, aber jetzt war sie total weg.

Als sich Dany, Nadine und Philipp auf den Weg zur Beerdigung machten, tauchte überraschend mein Vater auf um mir Gesellschaft zu leisten. Wir haben Kaffee getrunken, uns über dies und jenes unterhalten. Als ich auf die Toilette ging, bemerkte ich, wie mein Vater mich beobachtet. Als ich wieder zurück war, schaute mich mein Vater mit ernster Miene an. Was ist, wollte ich von ihm wissen. Er sagte mit ruhiger Stimme, was ist eigentlich mit dir los? Dein Zustand hat sich richtig verschlechtert und wollte wissen, warum ich so abgebaut habe. Ich war wie vom Blitz erschlagen, mein Vater war der erste Mensch, der mich auf meine Veränderung ansprach. OK sagte ich, pass auf, dass was ich dir sage, bleibt unter uns.

Du kannst dich bestimmt an Philipps Geburtstag erinnern, als ich zur Toilette ging. Da hast du mit Hans-Martin Borgmann meinen guten Gang gelobt. Ja sagte er, da kann ich mich noch dran erinnern. Dann kam im Sommer 2002 der Therapiewechsel von Jutta nach Hückeswagen, wo wir letztendlich geblieben sind. Ab da haben sich die Bedingungen, das Konzept und die Chemie nicht nur verändert, sie haben sich auch verschlechtert. Die Therapie ab da, war anders, wie die, die Jutta und Dany mit mir gemacht haben.

Vater schaute mich verdutzt an und wollte wissen, warum wir eigentlich von Jutta weggegangen sind. Es hat doch bis dahin alles wunderbar funktioniert. Es bot sich eben an, Jutta wollte es nicht riskieren, dass wieder eine so lange Therapiepause entsteht, erwähnte ich. Außerdem haben wir dadurch etwas Zeit und auch Benzin gespart. Er konterte und sagte: Da kannst du sehen, was du gespart hast. Er verstand es nicht und war sauer, warum ich von Jutta weg bin.

Ich sagte, STOP, langsam. Dr. Albacht war Anfang des Jahres bei uns und hat mir ans Herz gelegt, ich sollte wieder zur Jutta, weil wir mit ihr bessere Ergebnisse erzielt haben. Wir haben uns entschlossen, wieder zur Jutta zu fahren, sobald meine aktuelle Verordnung zu Ende ist. Vater schien erleichtert zu sein und sagte mir: Wollen wir hoffen, dass dann dein alter Zustand schnell wieder hergestellt wird.

Terapia logopedia in italiano (Logopädie auf Italiensch)

Jetzt habe ich schon einige Zeit keine Logopädie mehr. Es wäre nicht schlecht, wenn da trotzdem noch was gehen würde. Frau Görke wohnte am Ort, doch eine neue Logopädin zu finden, war nicht möglich. Ich erinnerte mich an die Anfangszeit nach der Reha, als wir noch kein Internet hatten. Dort hatte ich eine Sprachsoftware in einer Fernsehsendung gesehen, bei der man Sätze ins Mikrofon sprechen konnte. Anschließend wurde in Prozenten die Trefferquote angezeigt. So eine Software wäre nicht schlecht, auch wenn mein Sprechen gut ist, so Frau Görke.

Ich bin ins Internet um danach zu suchen, doch die Suche gestaltete sich sehr schwer. Dann habe ich es bei Ebay versucht. Doch die gewünschte Software war auch hier nicht zu finden. Da flackerte plötzlich eine Sprachsoftware auf, Italienisch für Anfänger. Ich habe mir die genaue Beschreibung durchgelesen. Italienisch wollte ich eigentlich immer schon lernen. Sätze konnte man hier auf sprechen und diese anschließend kontrollieren. Hm dachte ich, nicht schlecht, Frau Specht. Ich habe nicht lange überlegt und diese Software gekauft.

Nach zwei Tagen lag diese Software auf meinem Schreibtisch. Keine Frage, die Software wurde sofort installiert und getestet. Ich habe mir anfangs erst mal einige Lektionen angehört. Die Idee, mir diese Software zukaufen, war genial. Als ich alleine in der Wohnung war, habe ich meine ersten Sprachversuche gestartet. Donnerklotz, wenn man diese Sätze deutlich aussprechen wollte, ging das richtig auf die Bauchmuskulatur, aber Hallo.

Die Entscheidung war richtig, wieder ein neuer Lernprozess.

Die Verordnungen in der Physio- und Ergotherapie liefen Mitte März aus und wir beschlossen, uns eine kleine Auszeit zu nehmen. Dany hatte unterdessen bei Jutta angerufen und wegen der Krankengymnastik, nicht Physiotherapie, bei ihr angefragt. Jutta war über diesen Anruf richtig erfreut und hatte sich für die nächsten Tage angekündigt, um mit uns alles zu besprechen. Das klang in meinen Ohren recht vielversprechend.

In der Tat, nach einigen Tagen stand Jutta auf der Matte. Ich habe mich wie ein kleiner Hund gefreut, Jutta wiederzusehen. Bevor sich Jutta setzte, forderte sie mich auf, ins Schlafzimmer zu gehen. Als ich im Flur unterwegs war, hörte ich, wie sie zur Dany sagte: Oha, ich sehe schon! Im Schlafzimmer sollte ich mich aufs Bett legen. Jutta begann an mir herum zu werkeln. Plötzlich sagte Jutta: Mein Gott, was hat man mit dir denn gemacht? Du bist ein richtig zäher Klotz. Die eingesparte Zeit und das eingesparte Benzin quittierten meinen Zustand.

Tja sagte Jutta, dann gehen wir mal ans Werk. Wir gingen wieder ins Wohnzimmer zur Besprechung. Jutta gab uns folgendes vor. Bitte schaut, dass ihr zwei Doppelstunden pro Woche bekommt. Hier muss wieder kräftig gedehnt werden, die Muskeln und Sehnen haben sich dermaßen verkürzt. Wir werden nach den Osterferien mit der Krankengymnastik beginnen, die Termine gebe ich noch durch. Jutta bat Dany, mich bis dahin am Tag zweimal ungefähr 30 Minuten zu dehnen, damit die Lücke nicht zu groß wird. Ich war richtig erleichtert und Jutta verabschiedete sich bis nach Ostern. GOTT SEI DANK!!!

Wenig später hatte ich eine Verspannung am Rücken. Dany telefonierte mit Eva. Eva arbeitete als Masseurin und könnte mir bestimmt helfen. Eva orderte Dany an, mich aufs Bett zu legen, sie würde mal danach schauen. Als Eva meine Rückenmuskulatur bearbeitete meint sie, meine Muskulatur wäre sehr verspannt. Also bekam Dany den Auftrag, mich zweimal in der Woche zu massieren und Eva würde am Wochenende und professionell meine Muskeln bearbeiten. Das klang alles viel versprechen. Während Eva meine Muskulatur bearbeitet hatte, habe ich gequiekt wie ein Ferkel. Eva meinte, da gibt es viel zu tun, meine Muskulatur wäre auch arg verkürzt. Jetzt habe ich zu spüren bekommen, was es heißt, verspannte und verkürzte Muskulatur. Und wenn ich an die nächste Zeit bei Jutta denke, Prost Mahlzeit, dass wird kein Zuckerschlecken.

Ich freute mich wieder auf Jutta, ich hatte meine Chance, wieder vernünftig gehen zu können, nicht begraben.

Ich weiß, dass ich gehen kann, vielleicht sogar ohne Gehhilfe!!!

Auf zur Jutta – die Chance ruft

Die Osterferien waren vorbei und die Therapie bei Jutta konnte wieder beginnen. Man, was habe ich mich auf diesen ersten Termin bei ihr gefreut. Ich war überglücklich, als ich ihre Praxis betrat. Es war so, als wäre ich nie weg gewesen, alles war so vertraut. Plötzlich war Schluss mit lustig, Jutta begann mit der Therapie. Jutta setzte das in die Tat um, was sie bei ihrem Besuch angekündigt hatte, dehnen, dehnen und nochmals dehnen. Feuerfrei, das große PREISFLUCHEN war eröffnet. Aber, es musste sein. Meine Muskeln und Sehnen waren gewaltig verkürzt, was auch Eva, unabhängig von Jutta, bestätigt hatte. Da musste ich jetzt durch, schließlich sollte sich mein Gang Bild wieder verbessern.

Während ich im „Dehnen des Grauens“ steckte, ist Dany zu Juttas Mutter gegangen. Juttas Mutter kannten wir auch viele Jahre und sie war ab und zu bei Jutta zu Besuch. Als Dany weg war, meinte Jutta zu mir, so wie es aussieht, habt ihr nicht viel gedehnt. Doch sagte ich, aber nicht so, wie du es angeordnet hast. Ich konnte Jutta auf diesem Gebiet nichts vormachen. Wir knüpften wieder da an, wo wir vor knapp zwei Jahren aufgehört hatten. Ich sollte Jutta nach der Therapie ein Feedback über ihre Arbeit geben und ihr über unsere Aktivitäten zu Hause berichten, egal ob telefonisch oder per E-Mail. Jutta wollte nach meinem Feedback ihre Therapie auszurichten. Anscheinend war die Entscheidung richtig, wieder zur Jutta zu gehen. Nach ein paar Therapiestunden bin ich am Stock in die Praxis und auch wieder raus gegangen. Da konnte ich nicht meckern, es waren immerhin gute 30 Meter pro Strecke. Für einen gesunden Menschen das lachhaft, aber für mich war es eine enorme Leistung. Unvorstellbar? Nein, es war ein Zeichen für mich, dass da noch sehr viel geht!!!

In der Tat, es geht tatsächlich mehr

Nach einiger Zeit staunte ich nicht schlecht. Wir kamen wieder von Jutta zurück. In der Garage setzte ich mich in den Rollstuhl und Dany fuhr mich bis zur Treppe. Während ich mich in Position stellte, ging Dany schon mal die Wohnungstüre öffnen. Ich setzte mich in Bewegung. Auf halber Treppe brüllte ich schon: Ich bin oben. Als ich die letzte Stufe erreicht hatte, war bereits Dany da. Hier musste mir Dany helfen, damit ich zur nächsten Treppe kam. Sie nahm mich an die Hand und ich ging das kurze Stück zur nächsten Treppe. Ohne einmal stehen zu bleiben, nahm ich die nächsten Stufen in Angriff. Noch bevor ich die letzte Stufe erreicht hatte brüllte ich wieder: Ich bin oben. Wieder stand Dany da, um mich in Empfang zu nehmen. Schnell griff ich zum Stock und setzte meinen Gang fort. Endlich war ich am Ziel, ich saß im Bürostuhl. Wieder eine enorme Leistung, ich bin ohne einmal stehen zu bleiben, vom Keller bis zum Schreibtisch gegangen, - und das über zwei Etagen - ein tolles Ergebnis.

Ich war gerade ein paar Wochen bei Jutta, da rief Frauke an und erkundigte sich nach meinem Zustand. Dany schenkte Frauke sofort reinen Wein ein und erzählt ihr, dass uns Dr. Albacht dazu geraten hatte, mit der KG wieder zurück zur Jutta zu gehen, weil ich dort wesentlich bessere Ergebnisse erzielt habe. Frauke zeigte Verständnis für diese Entscheidung und stellte sofort die Frage: Was ist mit Ergotherapie, die sei doch auch sehr wichtig. Klar sagte Dany, die wollten wir auch nicht an den Nagel hängen, schließlich wissen wir, wie wichtig die Ergotherapie ist. Frauke riet uns, doch wieder in die Ergo zukommen.

Dany besorgte für Frauke eine Verordnung und wir knüpften die Ergo wieder an. Als wir wieder zu Frauke gingen, bin ich auch vom Parkplatz in die Praxis und zurück gegangen. Für mich war es wieder ein Gehtraining und zugleich wieder ein Fortschritt. Frauke war genauso über diesen kleinen Fortschritt erfreut, wie Jutta. Diese Freude hielt leider nicht lange an, irgendwie schoss es auf die Zeit und ich bin wieder vom Stock auf den Rollstuhl umgestiegen. Schade! Na ja, Hauptsache, die Therapie stimmte.

Auch Frauke knüpfte in der Therapie wieder da an, wo sie im Februar aufgehört hatte. In einer der nächsten Therapiestunden sagte Frauke zu Dany, wenn ihr demnächst wieder kommt, dann ziehe Peter ein paar Halbschuhe an, die etwas Absatz haben, keine durchlaufende Sohle wie beim Joggingschuh. Sie hätte bei einer Patientin, die auch immer Joggingschuhe trug, die Schuhe gewechselt. Mit einem Schuh, der etwas Absatz hat, lässt sich die Gehqualität etwas verbessern. OK sagte Dany, ich muss sowieso den Philipp abholen und nach Hause bringen und dann kann ich direkt Peters Halbschuhe, die etwas Absatz haben, mitbringen.

Gesagt, getan, Dany brachte mir meine robusten Halbschuhe mit. Als die Therapiestunde vorbei war, wurde ich umgepflanzt, sprich, von den Joggingschuhen in die Halbschuhe. Die ersten Schritte waren etwas unsicher, aber dann ging es von Schritt zu Schritt besser. Es hatte was, wenn man Schuhe mit etwas Absatz anhat. Ich hatte einen wesentlich besseren Stand. Leider sind heute fast alle Halbschuhe mit einer durchgehenden Sohle und den ganzen Tag mit derben Halbschuhe durch die Wohnung latschen ist schon ein bisschen komisch.

Man staune, da hatte ich wieder ein Erlebnis. Ich bin sage und schreibe von meinem Schreibtisch bis zur Wohnzimmertüre, (3-4 Meter) ohne Stock und ohne mich festzuhalten gegangen. Wow, was war das denn? OK, es war mehr schlecht als recht, aber, ich bin gegangen. Ehrlich gesagt, ich war doch etwas erschrocken. Einige Tage später habe ich mich wieder erschrocken, ich bin den halben Flur (3 Meter) Richtung Schafzimmertüre gegangen. Zwar auch mehr schlecht als recht, aber es funktionierte. Ich war mir so sicher, wie das Amen in der Kirche, ich werde gehen können, vielleicht sogar ganz ohne Hilfsmittel. Da bin ich gespannt, wie sich alles entwickeln wird, ganz alleine werde ich es nicht schaffen. Da ist das Konzept gefragt. Die Chancen stehen sehr gut.

Eine andere Baustelle

Ich hatte noch eine andere Baustelle, mein Monitor vom Computer. Ich hatte einen Röhrenmonitor, der seitlich von der Tastatur stand. Das hatte zufolge, dass ich öfters verspannt war. Ich habe mich entschlossen, mir einen Flachbildschirm zu kaufen. Doch die Biester waren verdammt teuer. Kurz beschloss ich, mich von meiner Modelleisenbahn zu trennen. Der Traum, mit Philipp eine Modulanlage zu bauen, war mit dem zweiten Schlaganfall geplatzt. Philipp hätte jetzt eigentlich das Alter, um mit mir ein solches Projekt zu bauen. Philipp und ich sind Eisenbahner durch und durch. Ich glaube, mein Vater hätte sich auch in dieses Projekt eingebunden. Auch er ist mit dem Virus Eisenbahn infiziert. Nun hatte ich schweren Herzens meine Modelleisenbahn verkauft und mir dafür einen Flachbildbildschirm zugelegt. Es tat sehr, sehr weh, als die Teile verpackt und verschickt wurden. Aber, ich wurde entschädigt, - ein kleiner Trost.

Ein großes Ereignis stand bevor, - Dany wurde 50 Jahre. Unsere runden Geburtstag groß feiern, war aus organisatorischen Gründen und Platzmangel seit dem Schlaganfall nicht mehr möglich. Aber Dany hatte trotzdem großes Talent, etwas aus dem Hut zu zaubern.

Alles hat, Dank Danys hervorragender Arbeit super funktioniert. In meinem Inneren bohrte wieder die Wut über meine Hilflosigkeit. Einfach da zu sitzen und nicht helfen zu können, ist ein Scheißgefühl.

Im Juli sind wir zu Dr. Grundhever gewechselt. Es dauerte nicht lange und Dr. Grundhever kam zum ersten Hausbesuch und stellte sich vor. Um sich ein Bild von mir zumachen, machte er ein großes, ausführliches Blutbild von mir, das volle Programm. Wir hatten einen neuen Hausarzt, der uns sofort seine Sympathie entgegenbrachte.

Der Hauptfeldwebel

Upps, was ist das? Plötzlich tauchte der Begriff „Bewegungsbad“ wieder auf. Man lausche und staune, es ging wieder zum Hauptfeldwebel ins Bewegungsbad. Schock schwere Not, bei dem Begriff „Bewegungsbad“ fing die Spastik wieder leicht an zu schielen. Aber egal, in der Therapie läuft alles Bestens, da kann das „Bewegungsbad“ nur von Vorteil sein. Dany hatte mit dem Hauptfeldwebel die Termine gemacht und die Therapie sollte Physiotherapeut Peter Weinzettel leiten. OK, sagte ich, damit bin ich einverstanden.

Donnerklotz, ich war erstaunt. Peter Weinzettel ging mit ins Becken, machte mit mir einige Übungen, dehnte mich und zum Schluss haben wir am Beckenrand einige Runden gedreht. Mit Peter Weinzettel bin ich immer um die 6 Runden im Becken gegangen. Anschließend sind Dany und ich noch im Becken geblieben und da habe ich auch noch mal gute 4 Runden gedreht und Dany tat im warmen Wasser ein bisschen Wassergymnastik auch gut. Mein lieber Mann, was war ich nach dem Bewegungsbad geschlaucht, aber – ich habe in der Nacht super geschlafen und hatte in der Nacht wenig mit der Spastik zutun - es war enorm.

Kurz darauf rief das Sanitätshaus Müller Betten an, jemand wollte wegen der Matratze vorbei kommen. Als der Mitarbeiter bei uns am Wohnzimmertisch saß, breitete er einen Zettel aus, auf dem die Konturen eines Menschen in Vorder- und Rückseite abgebildet waren. Auf meine Frage, was das bedeuten soll, sagte er: Es muss einmal im Jahr kontrolliert werden, ob ich mit der Matratze zurechtkomme. Er wollte von mir komische Sachen wissen, welche Stellen gerötet oder wund wären. Ich sagte, weder noch, ich habe derartige Probleme nicht. Er machte auf seiner Zeichnung ein paar Striche und Kreuze und verschwand wieder. Man, was soll dieser Scheiß, wund, gerötete Stellen? Die Matratze wurde verordnet, weil es auf der Schaumgummiauflage unzumutbar war zu liegen.

Der Herbst rückt an… eine ungemütliche Zeit

Die Zeit raste nur so dahin und der Herbst stand vor der Türe. Es wurde allmählich ungemütlich.

In der Therapie bei Jutta wurde jetzt zusätzlich an meiner Rückenmuskulatur gearbeitet. Es ist nicht einfach, da wieder anzuschließen, wo Jutta und Dany aufgehört haben. Letztendlich ist sehr viel, was wir damals erarbeitet haben, verspielt worden. Ja, ich habe sehr viel eingebüßt.

Frauke kam von einer Weiterbildung, mit folgender Erkenntnis zurück.

Wenn man Lioresal über einen längeren Zeitraum eingenommen hat, sollte man diese langsam und ausschleichend reduzieren, um die intakten Muskeln wieder aufzubauen, die unweigerlich auch mit Lioresal versorgt werden. Das klingt einleuchtend. Aber wie?

Es fehlte dazu das geeignete Konzept und wir hatten keine Lösung parat. Ausreichende Therapie, dass klingt super, aber woher nehmen und nicht stehlen. Die Zeiten der ersten zwei Jahre, wo richtig viel Therapie gemacht wurde und das Konzept optimal war, waren vorbei. Es ist leider so, mein körperlicher Zustand, meine Beweglichkeit haben stark abgenommen. Es fehlte einfach ein gemeinsames Konzept, zwischen der KG, der Ergo und uns.

Ich sprach mit Jutta und mit Frauke darüber. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, dass wir uns mal zusammensetzen und ein Konzept austüfteln. Aber das wird wohl nicht machbar sein. Jedenfalls war ich nicht bereit, die Lioresal zu reduzieren, wenn die Therapie nicht stimmt. Zu sehr liegt mir diese Medikamentenspielerei noch von damals im Magen. Ich kann mich an die Worte von Pfleger Rainer in Hilchenbach erinnern, dass man die Lioresal nicht so einfach absetzen, bzw. reduzieren kann. Auch Dr. Loevenich hatte mir gesagt, wenn man die Lioresal reduziert, muss man mit viel Therapie dagegen arbeiten. Diese Menge Therapie, die wir damals gemacht haben, die wird es nicht mehr geben.

Ein anderes Problem machte sich breit. Wenn wir nach Jutta zur Therapie mussten, bemerkte, dass Dany meine Gangart kritisierte und wie schwer es doch sei, mit mir die Treppe zu gehen und dass es ihr vor den Parkplatzproblemen bei Jutta graute. Es kam mir vor, als wäre es Dany lästig geworden, nach Jutta zu fahren. Quatsch dachte ich, dass bildest ich mir nur ein, schließlich hat uns Dr. Albacht dazu geraten, wieder zur Jutta zufahren. Trotzdem, der Gedanke ließ mich nicht los, dass da was ist. Ich verstand es nicht, dass Dany, mich mit Kritik und Bemerkungen die Treppe herunter führte. Das erweckte in mir ein schlechtes Gefühl.

Da lag was in der Luft

Der Geburtstag meines Schwiegervaters stand bevor. Da er in die Computerwelt eingetaucht war, war es nicht schwer, ihm was zum Geburtstag zu schenken. Wir haben ihm ein Text- und Tabellenprogramm gekauft, wo er mit zu Recht kommen würde. Office war ihm wohl eine Nummer zu groß. Ich schlug Dany vor, wenn wir das Programm haben, ihm das ruhig schon vor seinem Geburtstag zugeben. Wir könnten zu ihm fahren und ich würde ihm das installieren und auf seine Bedürfnisse einrichten. Gesagt, getan, wir machten uns auf den Weg.

Als wir zu Danys Eltern kamen, lag schon was in der Luft. Schnell eine Tasse Kaffee getrunken, dann ging ich ans Werk. Ich war kaum mit der Arbeit beschäftigt, da entluden sich plötzlich eine Hektik und eine Aggression. Meine Schwiegermutter nahm Fahrt auf und wetterte los: Ihr mit eurem Scheißcomputer, ist ja furchtbar, ich schmeiße gleich den Computer aus dem Fenster. Die Stimmung heizte sich auf, ich wurde nervös und die Spastik kam auf Hochtouren. Innerlich baute sich eine Wut auf und dachte: Mein Gott, was soll das denn, ich bin doch nur hier, um behilflich zu sein. Dany erkannte sofort, dass ich am Flattern war und sie packte sich ihre Mutter und sagte: Komm, wir fahren mal eben in die Stadt. Schnell kehrte Ruhe ein.

So, sagte ich zu meinem Schwiegervater, jetzt sind wir zwei alleine. Ich frage mich, was soll dieser Scheiß? Unmöglich sagte ich, ich bin doch hier, um dir zu helfen und dann gibt’s voll einen in die Breitseite. Mein Schwiegervater stand neben mir, schaute mich fragend an und zog seine Schultern hoch. Ich sagte ihm im ruhigen Ton, ohne jemanden zu beleidigen oder zu kritisieren: Ich habe mich in den letzten Jahren ziemlich zurückgehalten. Deine Frau ist in der letzten Zeit arg übers Ziel hinausgeschossen. Die Therapeuten haben schon gesagt, wenn ihr während der Therapie zu uns gekommen seid, ihr seid gesundheitsschädlich. Wieso gesundheitsschädlich wollte mein Schwiegervater wissen. Eine Ergotherapeutin hatte das bemerkt, antwortete ich, wenn ihr geklingelt habt, ist bei mir die Spastik eingeschossen. Hui, da hatte ich was gesagt, was er nicht hören wollte.

Tja sagte ich, deine Frau hat sich mitunter weit aus dem Fenster gelehnt. Was ist das für eine Art, wenn ihr zu uns kommt und deine Frau wettert sofort los: Gibt es schon wieder Schnitzel, euch muss es ja gut gehen. Oder, wenn ich zum Nachtisch einen Pudding esse und sie zu mir sagt, du lässt es dir ja wieder gut gehen. Oder, was stinkt das wieder hier, kocht ihr wieder mit Knoblauch, da wird mir sofort schlecht. Oder zur Dany sagen, ich komme mal und putze deine Küche, die sieht ja dreckig aus. Ich könnte dir noch einiges aufzählen, aber ich halte lieber meinen Mund. Auch wenn uns das Schicksal gebeutelt hat, hat Dany alles sehr gut im Griff. Ich kann es beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum deine Frau an uns pausenlos etwas zu meckern und zu kritisieren hat. Dany ist deswegen manchmal ziemlich deprimiert und bei mir klatscht die Spastik in die Hände. Aber genug des Guten, so etwas muss doch nicht sein. Ich merkte, was ich gerade gesagt hatte, war nicht so willkommen. So etwas konnte er nicht vertragen!!!

Ich war gerade am PC fertig, da kamen Dany und ihre Mutter zurück. Danys Blick verriet mir, dass wir uns auf den Weg machen sollten. Als wir zu Hause ankamen, konnte ich diese Unstimmigkeiten beim Treppe gehen spüren, - mit freundlichen Grüßen, die Spastik.

Dany meinte, was sollte das denn? Tja sagte ich, es ist unbegreiflich, und diesmal habe ich nicht den Mund gehalten. Ich habe Dany erzählt, was ich ihrem Vater während ihrer Abwesenheit gesagt habe. Du brauchst keine Angst zu haben, sagte ich, ich habe das deinem Vater in einem ruhigen Ton gesagt und ich habe niemanden beleidigt oder beschimpft, alles in einem gesitteten Ton. Da war was aufgekocht, was die ganzen Jahre am Gehren war. Die unüberbrückbaren Differenzen sollten ihren Lauf nehmen.

Ein Neurologe wurde wegen der Lioresal konsultiert

Der Dezember begann, Danys Vater hatte Geburtstag und man konnte merken, dass was im Busch war, die Stimmung war angefroren. Während der nächsten Ergotherapie sagte Frauke zu mir: Ich solle einen Neurologen aufsuchen um eine Meinung einzuholen, was wir machen und beachten sollen, wenn wir die Lioresal etwas reduzieren würden. Dany hatte kurzfristig einen Neurologen ausfindig gemacht, der ebenerdig ist und auch schnell einen Termin bekommen.

Ich bin bei Frau Dr. Pagel gelandet und habe ihr die Situation geschildert. Irgendwie hatte ich den Eindruck, was ich ihr sagte, war uninteressant. Nach unserem Gespräch drückte sie mir ein Rezept mit dem Medikament Dantamacrin aufs Auge, ich solle erst morgens und abends und nach Weihnachten auch mittags eine Tablette nehmen. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, als hätte sie mich nicht richtig verstanden.

Auf dem Heimweg ist Dany noch schnell in die Apotheke und hat das Medikament geholt. Zu Hause angekommen, habe ich mir den Beipackzettel durchgelesen, was ich normalerweise nicht mache. Nachdem ich mir diese Information durchgelesen hatte, kamen Zweifel bei mir auf und ich wurde unsicher. Das war mir eine Spur zu heftig und ich habe mich hingesetzt und Dr. Loevenich in einer E-Mail die Situation und meine Bedenken geschildert. Die Meinung von Dr. Loevenich war mir immer sehr wichtig. Es dauerte nicht lange, da schickte er mir eine Antwort. Er legte mir nahe, wenn die Therapie mit Dantamacrin durchgeführt wird, regelmäßig eine Blutkontrolle zu machen, da bei diesem Medikament die Leberwerte arg in die Höhe schießen. Diese Aussage hatte mich verunsichert und ich beschloss, nur morgens und abends eine Tablette zu nehmen. Dany meinte, ich soll mich an die Anweisung von Frau Dr. Pagel halten. Es war mir egal, ich wollte nichts riskieren und wollte erst mal die Blutkontrolle Anfang nächsten Jahres abwarten. Das Bewegungsbad machte derweil Urlaub, wegen Wartungsarbeiten und somit konnten sich die Blicke auf Weihnachten richten.

Mein Problem das Danys mich immer kritisierte, wie ich die Treppe ging, belastete mich sehr. War es wirklich so schlimm? Hat sich der Treppengang wirklich verschlechtert? Wenn wir ins Bewegungsbad oder zur Ergotherapie mussten, war alles OK. Ist es nur nach Jutta so umständlich? Waren die Parkprobleme etwas ein Grund? Aber das hätte man doch alles klären können. Der Satz, du musst auch mal an Dany denken, war wieder präsent. Ich grübelte drüber nach, was wir machen könnten, um diese Sache zu entschärfen. Es war schwer, eine Lösung zu finden.

Zwischen Weihnachten und Neujahr habe ich Jutta angerufen und ihr von meinem Problem erzählt und sie gefragt, ob sie mir weiterhelfen könnte. Wir haben zusammen nach einer Lösung gesucht. Sicher, die An- und Abfahrt nimmt schon etwas Zeit in Anspruch, aber wo sollen wir die Grenze setzen. Wir kamen auf eine Lösung, und die hieß wieder auf Hausbesuche. Hier könnte etwas Stress abgebaut und etwas Zeit eingespart werden. Doch das Problem war, Jutta konnte aus abrechnungstechnischen Gründen bei mir keine Hausbesuche machen. Da hing die Zwiebel am Haken! Hm, das war nicht nur Scheiße, sondern auch schlecht für mich. Jutta kannte mich nicht nur von Anfang, sondern sie wusste genau, wo sie bei mir ansetzen musste, - nicht umsonst sind die Erfolge entstanden. Ich darf an dieser Stelle Dany nicht vergessen, sie hatte Jutta durch ihre Unterstützung zu diesem gigantischen Erfolg verholfen, sonst wäre ich nicht so schnell ans Gehen gekommen.

Jutta sagte zu mir, schau dich mal um, ob du nicht einen geeigneten Therapeuten in Hückeswagen findest. Lange Rede, kurzer Sinn, ich habe mich entschlossen, mir einen neuen Therapeuten vor Ort zu suchen, der Hausbesuche macht. Jutta meinte zu mir, vielleicht hat dann Dany wieder etwas mehr Zeit, und ihr könnt zu Hause wieder einiges an Übungen dazu machen, dass hat doch anfangs sehr gut geklappt. Jutta und ich waren uns schnell einig und ich wollte im neuen Jahr mit Dany darüber sprechen. Schließlich geht es nicht nur um mich, ich soll auch an Dany denken. Das hatte man mir in der Vergangenheit schon mal auf die Achse gelegt.

Ich bin gespannt, wie Dany auf Hausbesuche reagiert?

Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert,
begeht einen zweiten.