Reha 2001

Ich bin wieder da…

Der Tag war da, ich war in Hilchenbach. Als wir die Klink betraten, wurde es mir im ersten Moment wieder mulmig in der Magengegend. Mir schoss wieder der zweite Schlaganfall wieder durch den Kopf. War es richtig, hier wieder eine Reha zu machen? Ich versuchte diesen Gedanken so schnell wie möglich zu verdrängen, schließlich haben die zwei Ärzte damals gepennt, oder besser gesagt, der Arzt der an diesen Samstag Dienst hatte und nicht die Therapeuten.

Kurz nach unserer Anmeldung kam Tante Hoscha (Schwester Catherina, damals auf der C1) freudestrahlend auf uns gelaufen. Hallo Peter, du bist bei uns auf der Station E1. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zur Station. Nobel, Nobel, die Station E1 lag direkt am Eingang der Klinik und über der Cafeteria. Mit Sack und Pack habe ich mein Zimmer bezogen. Meine Personalien und der ganze Schnickschnack wurden aufgenommen. Ich hatte Glück, Stationsarzt Dr. Niggemann beendete mit seiner Untersuchung ziemlich schnell meine Aufnahme.

Nachdem wir alles für mich eingerichtet hatten, sind wir endlich in die Cafeteria. Es war doch erstaunlich, wie viele Mitarbeiter mich in dieser Klinik noch kannten. Wir haben zusammen noch Kaffee getrunken und noch schnell einige Dinge besprochen. Dany und Philipp wollten bei Zeiten aufbrechen. Obwohl ich nur für kurze Zeit meine Reha mache und auch Weihnachten wieder zu Hause sein werde, wurde es mir komisch, als sich Dany und Philipp verabschiedeten. Als sie meine Zimmertüre hinter sich schlossen, wurde es totenstill. Meine Laune und meine Moral sackten in den Keller. Genau dieses Gefühl kannte ich noch vom zweiten Schlaganfall. Verdammte Scheiße, dachte ich, hätte ich doch bloß keine Reha beantragt. Ich hatte nur eine Computerbild, meine CDs und das Fernsehen, sonst nichts. Hätte ich meinen Computer bei mir, da wüsste ich, meine Zeit mit zu vertreiben. Die Zeit zog sich wie Gummi. Fernsehen wollte ich auch nicht, denn das war überhaupt nicht mein Ding.
Was mache ich?

(verdammt, verdammt, verdammt!!!)

Ein langweiliges Wochenende

Ich war im Begriff, mich an zu öden. Da sagte ich zu mir, Mensch Peter, bist du bescheuert? Erinnere dich an die Zeit nach deinem zweiten Schlaganfall. Was hast du da gemacht, wenn es dir beschissen ging? Richtig, du hast Musik gehört. Das ist doch die Idee, meine Piano CD. Mensch, was hat mir diese Piano CD in der Zeit damals geholfen. Auch jetzt konnte ich wieder meinen Gedanken freien Lauf lassen. Und immer wieder tauchte der zweite Schlaganfall auf. Wie sähe es heute aus, wenn der Zweite nicht gekommen wäre...? Der zweite Schlaganfall hat sich richtig in meinem Gehirn eingebrannt. Es ist für mich immer noch unbegreiflich, warum man damals niemand reagiert hat!

Wieder gehen zu können, stand an erster Stelle in meiner Wunschliste. Jutta und Dany haben es geschafft, mich innerhalb zwei Monaten wieder ans gehen zu bringen. Freude und große Hoffnungen machten sich wieder breit. Sicher, es war nicht immer einfach, aber ich konnte im Januar aufrecht gehen, ich konnte mit meinem rechten Bein einen richtigen Schritt machen und fast mit der Verse abrollen. Mensch, die Aussichten auf weitere Erfolge waren doch da. Dann spukt mir plötzlich wieder die Spielerei mit der Lioresal durch den Kopf. Das ist ein Problem, welches mich nicht los lässt. Man dachte, was geht mir da für ein Scheiß durch die Rübe. Aber, habe ich eine spontane Lösung? Nein, im Augenblick sind mir die Hände gebunden. Vielleicht sollte ich die nächste Zeit abwarten. Langsam hatte ich mich wieder gefangen. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, was ich hier in den nächsten Wochen erreichen würde.

Dany kam an diesem Wochenende nicht und es war öde und trostlos. Man, was war das langweilig. Ich leierte eine CD nach der anderen herunter. Einen Vorteil hatte mein Zimmer, ich hatte eine schöne Aussicht. Während ich von der Musik gerieselt wurde, habe ich am gegenüberliegenden Kindergarten ein Eichhörnchen beobachtet, wie es in einer Kletterwand herum turnte und habe somit einen großen Teil meiner trostlosen Zeit zersägt.

Der Sonntag gestaltete sich genauso wie der Samstag, öde und langweilig und ich habe wieder gegrübelt, was das Zeug hält und fiel dabei wieder mal von einem tiefen Loch ins nächste. Doch, ich habe den Sonntag trotzdem gut verbracht. Ich war gerade mit meiner Computer Bild beschäftigt, da brüllte jemand mit langgezogenen Sätzen in mein Ohr:

Guutään Aabäänd Häärrr Aaarääns,
ich briengä iihnään daaas Aabäändbroot...
Könnään sie aalleinä, oder soll ich iihnään häälfään?

Nach einem kurzem Nicken verstummte die Dame und begab sich ans bearbeiten meiner Brotschnitten. Kaum war sie mit der Schmiererei fertig, wurde die Phonzahl ihrer Stimme wieder hochgefahren.

Daannn wünschää ich iihnään einäänn gutään Appätiieet ... und entschwand.

Plötzlich... Funkstille und meine Gehörknorpel genossen die Ruhe. Während ich meine Brote vernichtete, dachte ich, man, die junge Dame glaubt wohl, ich hätte Schnee auf der Trommel.

Die Therapeuten stellen sich vor

Der Montag begann. Nach dem Frühstück musste ich zum EKG. Als ich wieder auf meinem Zimmer war, klopfte es und meine damalige Ergotherapeutin Frau Hahn trat ins Zimmer. Freudestrahlend kam sie auf mich zu und freute sich darauf, in den nächsten Wochen wieder mit mir zu arbeiten. Das war schon mal eine gute Überraschung. Wenig später klopfte es wieder und eine andere junge Frau betrat mein Zimmer. Guten Tag Herr Arens, ich bin die Frau Schipp, ich bin in den nächsten Tagen ihre Logopädin. Nach einem kurzen Gespräch verabschiedete sie sich und entschwand. Hm dachte ich, was ist mit Herrn Wagner?

Kurz vor Mittag klopfte es erneut an der Türe und eine junge Frau betrat das Zimmer. Guten Tag Herr Arens, ich bin Frau Diegmann, ich bin ihre Physiotherapeutin in den nächsten Tagen. Nach einem kurzen Gespräch entschwand sie wieder. Da machte sich eine herbe Enttäuschung breit. Nichts gegen Frau Diegmann, sie machte einen sympathischen Eindruck. Ich war fest im Glauben, Tanja würde mich wieder unter ihre Fittiche nehmen, aber, das war wohl nichts. Dementsprechend hat auch das Mittagessen geschmeckt. Scheiße dachte ich, ich hab mich so auf Tanja gefreut. Mit Dany hatte ich vereinbart, wieder jeden Abend um 20 Uhr zu telefonieren. Als an diesem Abend Dany anrief, habe ihr direkt von meiner Enttäuschung erzählt. Dany versuchte mich zu beruhigen und meinte, warte mal ab, das wird schon.

Am nächsten Morgen bin ich schon mit einem flauen Gefühl in der Magengegend aufgewacht. Es hat mir gestunken, dass nicht Tanja meine Physio übernommen hat. Nach dem Frühstück musste ich zum EEG. Das war auch schnell erledigt und ich bin zurück auf mein Zimmer. Lustlos habe ich in der Computer Bild herum geblättert. Oh Mann dachte ich, was werden die nächsten Wochen bringen? Plötzlich klopfte es wieder an der Türe und Tanja trat mit strahlendem Gesicht ins Zimmer und sagte freudestrahlend, guten Tag Herr Arens, dass ist schön, dass sie wieder hier sind. Wenn die wüsste, wie schön das für mich ist, dachte ich. Kaum hatte ich den Gedanken zu Ende gedacht, sagte Tanja, ich habe sie eingetauscht, ich werde ihre Physio übernehmen. Mir war in diesem Augenblick so, als hätte mich eine Straßenbahn gerammt. Habe ich mich verhört? Tja, sagte Tanja, ich werde mir das doch nicht entgehen lassen, mit ihnen zu arbeiten. Und plötzlich ging die Sonne auf. Ach so sagte Tanja, bevor sie wieder ging, wir zwei werden auch ins Bewegungsbad gehen. Mit einem, Tschüss Herr Arens, bis Morgen verabschiedete sich Tanja. Strike sagte ich, die Reha kann beginnen.

Die Reha kann beginnen

Am nächsten Morgen ging es richtig los. Nach der Ergo bei Frau Hahn ging es zu Frau Schipp, zur Logo. Wir haben uns erst mal beschnuppert. Ich sagte Frau Schipp, dass meine Logopädin Frau Görke, mit mir viel Sprachtraining macht. Die Übungen wie Backe aufpusten, die Spannung halten und plötzlich die Luft heraus lassen, oder diese „K“ oder „Ph“ oder andere solcher Übungen, die mache ich zwischendurch. Frau Görke korrigiert mich, wenn meine Aussprache nicht korrekt ist. Schnell haben wir uns geeinigt und wollte es genauso machen, während ich Frau Schipp versprechen musste, auf dem Zimmer meine Übungen auch zu machen.

Am Nachmittag kam Tanja und wir begannen unsere Therapie. Tanja war mir noch sehr vertraut aus meiner Zeit vom 7. Dezember 1999 bis 7. April 2000. Tanja war in dieser Zeit meine Bezugsperson gewesen. Schließlich hat sie mich wieder ans Laufen gebracht. Aber nach dem zweiten Schlaganfall waren auch ihre Hände gebunden.

Tanja hat sich kurz bei mir über den Stand der Dinge erkundigt, was meine Schwerpunkte und meine Probleme sind. Ich habe ihr von der Medikamentenspielerei mit der Lioresal erzählt, und was ich danach an Veränderungen bei mit bemerkt habe. Da ich augenblicklich arg schreckhaft bin, vor allem, wenn jemand ins Zimmer gestürmt kommt. Sie klopfen zwar an, aber mit dem Klopfen öffnet sich gleichzeitig die Türe. Da habe ich schon Angst, hinzufallen. Tanja meinte darauf, ich sollte noch nicht alleine durchs Zimmer gehen, um dieses zu vermeiden. OK sagte ich, dann können wir loslegen, ich werde aufpassen. Als ich am Abend mit Dany telefonierte, habe ich ihr erzählt, was Tanja mir geraten hat. Irgendwie hat das der Dany nicht gepasst, ihr wäre es lieber, ich würde mehr gehen. Ebenfalls stieß ich auf Gegenwehr, als ich sagte, ich wolle mich wegen der Spielerei mit der Lioresal sachkundig machen. Nun gab ein Wort das Andere und wir hatten uns in die Haare. Mir wurde es zu bunt, habe Tschüss gesagt und einfach aufgelegt. Warum bekomme ich immer heftigen Gegenwind, wenn es um die Spielerei mit der Lioresal geht? Es war mir mittlerweile zu dumm, über dieses Problem zu sprechen. Für mich stand eins fest, ich bin zwar behindert, aber nicht blöd, ich merke doch, wenn sich körperlich was verändert. Jedenfalls stinkt die Sache, zwar nicht bis in den Himmel, doch sie stinkt.

Oh je, etwas Neues

Auf meinem Therapieplan stand zusätzlich ein Vierzellenbad. Von einem Vierzellenbad hatte ich noch nie gehört. Ich war neugierig, was mich da erwarteten würde. Der Rolldienst hat mich in die Physikalische Abteilung gebracht, zu Frau Gattwinkel. Mein Rollstuhl wurde vor einem Gerät gefahren, was mit Behältern ausgestattet ist, für Beine und Arme. Meine Schuhe und Strümpfe wurden ausgezogen. Der Rollstuhl wurde leicht nach hinten gekippt, damit ich meine Beine in je einem Becken stellen konnte. Die Arme wurden anschließend in je ein Becken links und rechts von mir abgelegt. Die Becken waren mit warmem Wasser gefüllt.

Frau Gattwinkel erklärte mir, was passieren wird. Nachdem alles ordnungsgemäß vorbereitet war, wurde ganz langsam Strom durch die Becken geleitet, welcher natürlich auch durch meinen Körper floss. Oh man dachte ich, jetzt sitze ich auf einem elektrischen Stuhl. Vor Strom hatte und habe ich sehr großen Respekt. Frau Gattwinkel bat mich, Bescheid zugeben, wenn ich ein leichtes Kribbeln an Arme und Beine spüren würde. Der Punkt war erreicht, ich verspürte ein leichtes Kribbeln. Ich verharrte jetzt knapp 20 Minuten im fließenden Stromkreis. Es war gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber der Respekt vorm Strom war da. Als die Prozedur beendet war, wurden meine Beine und Arme abgetrocknet, Strümpfe und Schuhe wieder angezogen und das war’s.

Im Laufe der Woche fand die Oberarztvisite satt. Die Türe ging auf und der Oberarzt stürmte mit Anhang in mein Zimmer. Bevor ich meinen Gedanken, der macht aber einen unsympathischen und arroganten Eindruck, zu Ende gedacht habe, bestätigte er mir diesen Eindruck mit einem schnippischen: „machen sie das Radio leise“. Oh man dachte ich, was hat der sich denn eingeworfen? Es war nicht Dr. Loevenich, der hätte gesagt, endlich ein Zimmer, wo gescheite Musik läuft. Oberarzt Dr. Hübner redete ein unverständliches Kauderwelsch. Plötzlich nahm er meinen betroffenen Arm, hob ihn hastig hoch und murmelte: Die Lioresal wird mittags um 5 mg erhöht. Ich wollte ihm die Geschichte mit der Lioresal-Spielerei verklickern, da zischte er kurz dazwischen: Sie müssen mehr Diät leben. Boaah, da hatte ich den Kaffee auf.

Ich möchte an dieser Stelle nicht erwähnen, was ich da gedacht habe.

Die erste Woche ist geschafft

Ehe ich mich versah, hatten wir Freitag. Die letzte Therapie in dieser Woche war vorbei. Endlich haben wir Wochenende und Dany wird kommen. Ich hockte wieder auf meinem Zimmer, meine Piano CD lief wieder und die Computerbild habe ich schon zum x-sten Mal durch geblättert, von oben nach unten, von unten nach oben, von links nach rechts und in entgegengesetzter Richtung. Wenn die CDs Rillen gehabt hätten, wie bei der Schallplatte, die wären stumpf gelaufen. Die Zeit zwischen den Therapien ohne Computer war schon langweilig. Ich musste wieder für kleine Königstiger. Als ich im Badezimmer war, habe ich gestutzt. Ich war so in Gedanken und bin mit Stock zur Toilette gegangen, - und es hat prima funktioniert. Als ich am Abend wieder mit Dany telefonierte, habe ich ihr davon erzählt. Trotzdem musste ich vorsichtig bleiben, um nichts zu riskieren. Ich habe Dany gebeten, mir am Samstag doch meinen Laptop mitzubringen, auch wenn fünf Tasten nicht funktionieren.

Endlich Samstag, Dany kam zu Besuch. Wieder habe ich ihr, wie in meiner Reha nach den Schlaganfällen ein Brötchen und auch Kaffee zurückbehalten. Einige Schwestern, die mich aus meiner ersten Zeit kannten, wussten Bescheid. Dany kam und die Sonne ging auf. Unsere Unstimmigkeit der letzten Woche war vergessen, wir hatten uns endlich wieder. Die Samstage und die Sonntage fanden wieder so statt, wie vor zwei Jahren. Samstags kam Dany alleine und sonntags brachte Dany meine Eltern mit. Als Dany am Samstag wieder nach Hause fuhr, habe ich mich sofort an meinem Laptop zu schaffen gemacht. Die Kiste funktionierte, bis auf die 5 Tasten, was beim Schreiben echt nervte. Jetzt war guter Rat gefragt. Bingo, ich hatte eine Idee. Ich habe eine ältere Datei geladen, habe mir die Zeichen der defekten Tasten kopiert und in eine andere Datei abgespeichert, Groß- und Kleinbuchstaben, sowie die Tastenzeichen Punkt/Doppelpunkt. Jetzt konnte ich schreiben, und wenn ich die Zeichen von der defekten Taste benötigte, dann habe ich sie einfach aus meiner Not Datei kopiert.

Meine Zeit war gerettet.

Es geht ins Bewegungsbad

Die Therapien waren voll im Gange, Ergo, Physio, Logo, Gesprächsgruppe, Radfahren, Sportgruppe und das Vierzellenbad. Das war noch nicht alles, Tanja machte ihre Drohung war und ging mit mir ins Bewegungsbad. Ich erinnerte mich an meinem ersten Schlaganfall zurück. Ich war gerade soweit, dass ich mit dem Rollator gehen konnte, da ist Tanja mit mir ins Bewegungsbad gegangen. Jetzt hocke ich im Rollstuhl und sah da große Probleme, ins Becken zu kommen. Aber weit verfehlt. Tanja gab mir die Order, mich auf der Station schon fürs Bewegungsbad fertig machen zu lassen. Badehose an, darüber den Bademantel und Markus vom Rolldienst sollte mich in die Physikalische Abteilung bringen.

Ich war gespannt, wie ich ins Schwimmbecken kommen würde. Am einfachsten wäre es, mich an den Beckenrand zu fahren und dann ins Schwimmbecken kippen. Aber, es geht doch einfacher. Tanja fuhr mich neben dem Schwimmbecken in Position und zog einen an der Decke hängenden kleinen Kran heran. Sie betätigte die Fernbedienung und ein breiter Gurt, an dem eine kleiderbügelähnliche Vorrichtung hing, näherte sich meinem Rollstuhl. Anschließend legte sie einen Gurt (ähnlich wie ein Klettergurt beim Bergsteigen) um mein Becken und meine Oberschenkel und befestigte diesen an diese Hängevorrichtung. Der Motor der Hebevorrichtung surrte und ich ging in die Höhe. Über eine Laufschiene schob mich Tanja über das Schwimmbecken. Anschließend ging es langsam Richtung Wasser herunter. Kurz bevor ich das Wasser erreichte, sprang Tanja ins Becken und ließ mich dann komplett in die Fluten. Das war ein astreiner Stapellauf.

Bevor es zu Sache ging, legte Tanja mir je eine Schaumstoffnudel unter den Rücken und unter die Kniekehlen. Jetzt lag ich im Wasser und Tanja schob mich in die Mitte des Beckens. Sie forderte mich auf, still liegen zu bleiben und sie bewegte mich langsam hin und her. Nach einer Weile spürte ich, wie ich immer lockerer wurde. Die leichte Bewegung im Wasser schien tatsächlich auf mich einzuwirken. Als die Vorstellung zu Ende war, forderte Tanja mich auf, mich hinzustellen. Was nun, dachte ich. Tanja legte meinen betroffenen Arm auf ihre Schulter und dann ging Tanja im Rückwärtsgang Richtung Hebevorrichtung und ich folgte ihr... mit meinem betroffenen Arm auf ihrer Schulter. Die ersten Schritte hatte ich echt Bammel. Was ist, wenn ich ausrutsche? Ich hatte diesen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, surrte der Lastenkran und der Kleiderbügel näherte sich dem Wasser. In Rückenlage befestigte Tanja den Tragegurt und auf die gleich Art, wie ich zu Wasser gelassen wurde, ging es wieder an Land.

Der Bademantel im Rollstuhl ruhte noch genau so, wie ich ihn verlassen hatte. Ich saß wieder im Rollstuhl, Tragegurte entfernt, Tanja trocknete mir kurz den Rücken und die Beine ab, Schuhe an, Bademantel richtig angezogen und dann ging es in den vorderen Teil der physikalischen Abteilung zurück. Kurzes Telefonat auf die E1, wenig später kam Markus und brachte mich auf mein Zimmer. Wenig später hatte eine Schwester den Rest abgetrocknet, mir meine Kleidung und Schuhe wieder angezogen und der Kuchen war gegessen. Ich war erstaunt, wie positiv das Bewegungsbad auf mich einwirkte. Das signalisierte Freude auf die weiteren Bewegungsbäder.

Oh, ein Problem

Ich hatte immer einen gut sortierten Therapieplan. Gott sei Dank gab es den Rolldienst. Ohne den Rolldienst wäre es nicht möglich gewesen, die sehr dicht aufeinanderfolgenden Therapieeinheiten zu schaffen. Es war schon gut durchorganisiert. Eines Mittags kam ich etwas später von der Therapie auf mein Zimmer zurück und mein Essen stand schon auf den Schreibtisch. Ich platzierte mich vor meinem Mittagsmahl, nahm den Deckel ab und staunte nicht schlecht. Es gab eine Scheibe Schweinebraten mit Erbsen und Möhren und dazu Kartoffeln. Ich stand wieder vor einem Problem, das Fleisch, es ist nicht klein geschnitten. Was nun?

Die Lösung, ich drücke den roten Knopf und bitte um Hilfe. Ach nee dachte ich, sieht bestimmt doof aus, wenn ich bitte, mir das Fleisch klein zu schneiden. Während ich den vor mir liegenden Schweinebraten begutachtet, baute sich meine Zwickmühle zunehmend aus. Eine Entscheidung musste her, sonst verhungere ich. Mir kam die glorreiche Idee, versuche ich halt die Scheibe Schweinebraten selber zu schneiden. Die folgenden Minuten waren reif, für „Verstehen Sie Spaß“. Ich positionierte die Gabel auf den Schweinebraten und versuchte meine betroffene Hand auf die Gabel zu pressen. Nach ein paar Anläufen hatte ich die Gabel unter meine rechte Hand geklemmt. Im Hinterstübchen flackerte der Gedanke, hoffentlich rutsche ich nicht ab. Wie ein Chirurg setze ich das Messer zum ersten Schnitt an. Puh, dass ging gut. Jetzt musste die Scheibe Fleisch neu positioniert werden. Dieselbe Prozedur noch mal. Mit diesen, für mich sehr aufwendigen Aktionen, habe ich die Scheibe Schweinefleisch klein geschnitten. Ich habe es geschafft, doch mein Essen war mittlerweile kalt, - 6 Grad wärmer wie ein Speiseeis.

Während ich mein Kalt Menü verspeiste, fingen meine Gehirns Zellen an zu arbeiten. Ich hatte mich geärgert, warum man als Behinderter solche Dinge nicht einfacher und selbständiger handhaben kann. Genauso blöd, dass man kein Frühstücksbrötchen selber herrichten kann. Plötzlich hatte ich mich an den Brötchen festgebissen. Warum kann ich meine Frühstücksbrötchen nicht selber schneiden und schmieren. Mit dem Brettchen, was hier auf der Station ist und was ich auch zu Hause habe, mit dem kann man eine Scheibe Brot schmieren und schneiden, aber ein Brötchen schneiden, ist unmöglich, jedenfalls für mich. Es muss doch eine Möglichkeit geben, wo man nur mit einer Hand mühelos Brötchen schneiden und schmieren kann.

Am Nachmittag musste ich wieder zur Ergo zu Frau Hahn. Noch bevor wir mit der Therapiestunde anfingen hatte ich Frau Hahn nach so einer Möglichkeit gefragt, wie man selber Brötchen bearbeiten kann. Sie verwies mich auf das Brettchen, welches auf der Station zur Verfügung steht und was ich auch habe. Ansonsten war ihr nichts dergleichen bekannt. Nach der Therapie gab sie mir einige Kataloge für den Reha Bedarf mit. Vielleicht war da was drin. Nachdem ich sämtliche Kataloge durch geblättert habe, schien mir, als würde es in dieser Richtung nichts geben. Mit schoss die Idee durch den Kopf, dann entwickle eben solch eine Möglichkeit. Ich fing an, auf meinem Laptop ein Gerät zu zeichnen, mit dem man mühelos Brötchen schneiden und schmieren könnte. Und schon habe ich an eine Idee angedockt, die mich nicht mehr los ließ!!!

Somit waren meine freien Stunden sinnvoll ausgefüllt.

Der Katalogmann

Im Laufe der Zeit kamen viele alte Bekannte, die während meines ersten/zweiten Schlaganfall im Hause oder auf der C1 beschäftigt waren, und besuchten mich. Für mich war es fast ein Heimspiel. Mein Freund Falko, der damals Ziwi auf der C1 war, hatte nun eine Stelle im Servicebereich. Falko schaute schon mal öfters bei mir vorbei und wenn ich was aus der Cafeteria benötigte, war er so lieb, und brachte es mir mit. Auch mit den neuen Schwestern und Pflegern auf der E1 entstand sehr schnell eine supertolle Chemie und, wir hatten viel Spaß. Auf der E1 wurde jeder Patientin und jedem Patient eine Schwester oder ein Pfleger als eine Art Vertrauensperson zur Seite gestellt. Ich hatte Schwester Krystina und ich nannte sie meine Patentante. Wir verstanden uns prima und hatten viel Spaß zusammen.

Mir wurde es nicht langweilig, mein Tag war sehr gut ausgefüllt. Eines Tages war ich in der Ergo Abteilung und wartete auf Frau Hahn. Plötzlich kam Schwester Hildegard, Leiterin der Logopädie, auf mich zugestürmt und sagte: Herr Arens, ich habe ein Attentat auf sie vor. Upps, was nun? Würden sie sich eventuell für eine Fotoaufnahme zur Verfügung stellen? Ist was Besonderes, wollte ich wissen. Ja, sagte Schwester Hildegard, es soll ein neues Hausprospekt hergestellt werden und dazu brauchen wir ein paar Fotos von den einzelnen Therapien. Von mir aus sagte ich, wenn sie sich nicht mit mir blamieren wollen. Was komisch war, ich bin im Nachhinein noch von einigen Therapeuten gefragt worden, ob ich mich nicht bei ihnen für die Fotoaufnahmen zur Verfügung stellen könnte. OK sagte ich, mache ich gerne, aber das neue Hausprospekt wäre keine tolle Werbung für die Klinik. Es sähe dann aus, als würde nur ein Patient in diesem Haus beherbergt sein.

Ich hatte einen Clown gefrühstückt

Bei Zeiten wurde eine Verlängerung meiner Reha beantragt. Die freudige Nachricht erreichte mich, dass die AOK hat meine Reha bis zum 30.11. verlängert hat. Dann fängt die Adventszeit an und in wenigen Wochen ist Weihnachten. Ich bin gespannt, wie lange meine Reha wohl sein wird.

An einem Nachmittag musste ich wieder in die Bäderabteilung zum Vierzellenbad. Ich war mit dem Vierzellenbad noch nicht fertig, da war Markus vom Rolldienst schon da, um mich zu Herrn Frevel, zum Sport- und Bewegungstraining zu bringen. Während ich noch in den Behältern verweilte, entstand eine Unterhaltung zwischen Frau Gattwinkel, Markus und mir. Frau Gattwinkel erzählte von einer Patientin, die auch hier im Vierzellenbad saß. Bei ihr wurde versehentlich die Spannung zu hoch eingestellt, so dass sie wie ein Fisch in den Becken am Zappeln war. Es ist nicht lustig, doch mit uns ging auf einmal die Fantasie durch. Was haben wir gelacht, und als ich sagte, ist das herrlich, so macht ein Schlaganfall Spaß, war der Ofen ganz aus, wir haben uns schlapp gelacht. Selbst auf den Weg zu Herrn Frevel in die Sport- und Bewegungstherapie kamen Markus und ich nicht aus dem Lachen heraus.

In der Sporthalle angekommen, wurde ich sofort an die Sprossenwand gefahren. Neben mir parkte ein Patient von der E1. Als wir uns anschauten, sagte er zu mir, was ist denn mit dir passiert. Ich habe ihm schnell die Story von der Powerpatientin erzählt, was ich in der Bäderabteilung erfahren hatte. Auch mein Stationsnachbar musste darüber lachen. Plötzlich kam Herr Frevel anmarschiert. So meine Herren, jetzt wird nicht mehr gelacht, jetzt machen wir Stehtraining. Fassen sie bitte an die Sprossenwand und stehen auf. Als wir standen, sagte ich zu meinem Nachbarn, ah, eine neue Disziplin, Synchronstehen. Er fing wieder an zu lachen. Herr Frevel forderte mehr Disziplin von uns. Plötzlich fiel mir wieder die Geschichte aus der Bäderabteilung ein und musste wieder lachen. Was ist, flüsterte mein Nachbar. Ich sagte nur leise, Bäderabteilung... Knister - Knister. Ich hätte das besser nicht gesagt. Mein Nachbar fing wieder anzulachen. Herr Frevel wurde unruhig und die anderen Patienten in der Sporthalle wurden auf uns aufmerksam. Je aufmerksamer sie wurden, desto mehr mussten wir lachen. Langsam wurde es mir peinlich, doch gegen meine blühende Fantasie war ich heute machtlos. Herr Frevel wurde etwas ernster und sagte energisch, so meine Herren, wenn sie nicht aufhören zu lachen, dann ziehe ich eine Trennwand zwischen ihnen. Oh prima sagte ich, dann spielen wir „Herzblatt“. Dieser Satz war zu viel, die ganze Halle war am Lachen, keiner war mehr in der Lage, sich auf die restliche Therapiestunde zu konzentrieren und somit war diese Therapiestunde gesprengt.

Ich schäme mich nicht

Für meine blühende Fantasie und meine Albernheit schäme ich mich nicht...
absolut nicht.

Ich war vor meinem Schlaganfall genauso bekloppt, wie heute.

Was soll’s, das Leben ist ernst genug.

Unannehmlichkeiten kommen von ganz alleine. Außerdem, Lachen ist gesund.

An diesem Tag hatte ich wirklich einen großen Clown gefrühstückt. Nachdem Abendbrot habe ich mich wieder mit meinem Projekt, dem Brettchen beschäftigt. Die Zeit am Laptop floss nur so dahin. Plötzlich klopfte es und Schwester Krystyna kam, um mich fürs Bett fertig zu machen. Das funktionierte immer tadellos, egal wer mir ins Bett half. Nachdem ich im Bett lag, stellte mir Schwester Krystyna etwas zu trinken auf den Schreibtisch. So sagte sie, haben sie noch einen Wunsch Herr Arens?

, sagte ich, alles OK. Stopp, noch eine Frage sagte ich: Schwester Krystyna, was glauben Sie, was hier wohl im Bett liegt? Sie schaute mich verdutzt an, was meinen Sie mit, was liegt hier im Bett? Natürlich sie Herr Arens? Nein sagte ich! Schwester Krystyna rätselte weiter, ein Patient? Nein! Krystyna zählte viele Dinge auf. Nein sagte sie, ich weiß es nicht. Was liegt den nun im Bett, wollte sie endlich wissen. Ich habe den Eindruck sagte ich zu ihr, sie denken, ich wäre ein Orang-Utan. Wieso ein Orang-Utan wollte sie wissen? Vielleicht, gab ich zum Besten, weil das Wasserglas auf dem Schreibtisch steht, an meiner betroffenen Seite und ein Orang-Utan mühelos danach greifen kann? Plötzlich fiel der Groschen und Krystyna fing schallend an zu lachen.

Drei Wohen bin ich schon hier

Der letzte Tag in dieser Woche war wieder geschafft und drei Wochen hatte ich nun hinter mir. Mir sagte eine Schwester, wenn ich Glück habe, wird die Krankenkasse mir zusätzlich noch eine Woche dran hängen. Das würde heißen, meine Reha würde fünf Wochen dauern, also bis zum 7. Dezember 2001. Wenn das Jahr zu Ende geht, werden die Kassen ziemlich geizig. Aber mal ehrlich, fünf Wochen sind recht mager, die reichen noch nicht einmal aus, um einen Hering vom Teller zu ziehen. Na ja, wenn es fünf Wochen sein sollten, muss ich zufrieden sein. Jedenfalls hat man bis jetzt einiges wieder ins rechte Licht rücken können. Das Vierzellenbad und die Bewegungsbäder mit Tanja haben die Spastik um einiges senken können. Was mir aufgefallen war, ich hatte in den Nächten noch keinen einzigen Wadenkrampf gehabt, - komisch. Ehrlich gesagt, ich habe mir darüber auch keine großen Gedanken gemacht. Nun freute ich mich wieder aufs Wochenende. Am Samstag wollte Dany kommen, und Philipp wollte mit Markus, ein Kamerad aus der Jugendfeuerwehr mit dem Zug nachkommen. Philipp ist auch ein Eisenbahnfan durch und durch. Er ist von meinem Vater und von mir frühzeitig mit der Begeisterung „Eisenbahn“ infiziert worden.

Endlich, der Samstag war da. Ich habe mich immer wie ein kleiner Hund auf Dany gefreut. Unser Ritual, begrüßen, Wäsche austauschen und ab in die Cafeteria und bei einem Cappuccino uns austauschen. Es erinnerte mich immer an meiner Zeit vom Dezember 1999 bis April 2000. Es war Mittagszeit und wir sind auf mein Zimmer zum Mittagessen. Nach dem Mittag bin ich eben zur Toilette. Ich sagte zu Dany, wenn ich fertig bin, dann gib mir bitte den Stock und wir beide gehen mal eine Runde. Vorsichtig ging ich aus meinem Badezimmer um die Ecke auf den Flur. Dany kam langsam mit dem Rollstuhl (zur Sicherheit) hinter mir her. Weiter ging es bis zum Aufzug. Hier war mein Weg zu Ende, eine kleine Menschentraube versperrte den Weg. Ich wurde unsicher und ängstlich. Anstatt mich in den Rollstuhl zu setzen, mit Dany an der Menschentraube vorbei zu fahren, um etwas weiter meinen Gang fortzusetzen, bat ich Dany, wieder zurück auf mein Zimmer zu gehen. Trotzdem bin ich ca. 60 Meter am Stück gegangen. Das war für mich ein positives Signal. Am Nachmittag kamen Philipp und Markus von ihrem Eisenbahntrip. Es hat mit den zwei Weltenbummlern alles gutgegangen.

Die Reha, noch eine, oder zwei Wochen???

Die letzte Woche begann, falls es beim 30.11.2001 bleiben sollte. Auch wenn ich mich sehr gut fühlte, wäre es schon schön, noch etwas Nachschlag für die Reha zu bekommen. Heute Vormittag war ich wieder bei Tanja zur Physio. Ich hatte ihr von meinem Spaziergang mit Dany erzählt. Sie strahlte übers Gesicht und sagte, Mensch Herr Arens, dass ist schön, es steckt noch eine große Menge Potential in ihnen. Da muss ich ihnen Recht geben, sagte ich zur Tanja, ich weiß, dass ich gehen kann, vielleicht sogar ohne irgendeiner Gehilfe.

Tanja fing mit ihrer Therapie an. Kurz vor Ende nahm sie meinen Rollstuhl, schob in den Flur, kam zurück und sagte, Herr Arens, stehen sie mal bitte auf. Tanja stellte sich vor mich - Auge um Auge. Sie nahm meinen rechten betroffenen Arm, legte ihn auf ihre Schulter und forderte mich auf, während sie langsam rückwärtsging, ihr zu folgen. Meine ersten Schritte waren etwas unsicher, aber es funktionierte. Jetzt forderte mich Tanja auf, während wir gingen, meinen linken Arm in die Luft zu strecken. Das war genau wie im Bewegungsbad, nur ohne Wasser, - eine reine Trockenübung. Es hat funktioniert, es hat funktioniert, ich war baff. Verflixt, es wäre alles leichter, wenn da nicht das ängstliche Gefühl wäre. Ich versuchte schon öfters dagegen anzugehen, aber keine Chance, ich war gegen mich selber machtlos. Wer weiß, dachte ich, vielleicht ist es auch gut so, ängstlich zu sein, um größere Schäden zu vermeiden.

In der Ergotherapie bei Frau Hahn wurde auch mächtig geklotzt. Ihre Arbeit war mir aus meiner Zeit während meines zweiten Schlaganfalls noch sehr bekannt. Mein rechter Arm schien in Wirklichkeit die härteste Baustelle zu sein. Die Logopädie bei Frau Schipp lief wie am Schnürchen, sie war zufrieden, - und ich auch. Nachdem Dany am Sonntagnachmittag des vermutlich letzten Wochenendes wieder nach Hause fuhr, habe ich versucht, mit meiner linken Hand, Dany einen Brief zu schreiben. Es war zwar ungewöhnlich, doch es funktionierte sehr gut. Von Schwester Nicole habe ich mir schon bei Zeiten einen Briefumschlag und eine Briefmarke besorgen lassen. Vorsichtig habe ich den Brief gefaltet, in den Umschlag gesteckt, Briefmarke drauf – und ab die Post. Mein Freund Falko war so lieb und hat mir am nächsten Tag den Brief in den Briefkasten geworfen.

Am nächsten Tag teilte man mir mit, man hätte die Verlängerung meiner Reha bis zum 22. Dezember beantragt. Hui dachte ich, dass ist aber very schön, so lange, ob das funktioniert. An diesem Mittag gab es was zu essen, was meine Geschmacksnerven nicht mögen. Kurzer Hand rief ich Falko an und bat ihn, wenn es möglich ist, mir zwei Frikadellen zu besorgen. Auf Falko war immer verlass, wenn ich ihn um eine Gefälligkeit bat. Am Nachmittag ging es wieder ins Bewegungsbad. Es klappte mittlerweile wie am Schnürchen. Auch wenn der Transfer vom Rollstuhl ins Bewegungsbad sehr gut funktionierte, hatte ich immer ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Aber, auf das Bewegungsbad hatte ich mich immer gefreut. Es hat in der Tat gut getan und es machte sich bemerkbar.

Die Reha ist bis zum 7. Dezember verlängert

Es ist kaum zu glauben, wir haben schon wieder Freitag. Donnerklotz, was war diese Woche wieder schnell vergangen. Aber, es hatte auch seine schöne Seite. Morgen kommt Dany wieder und wir haben wieder etwas Zeit für einander. Kurz nach der Mittagspause teilte man mir mit, die Reha ist nur bis zum 7. Dezember genehmigt, mehr ist nicht drin. Im ersten Moment wusste ich nicht, ob ich enttäuscht war, oder ob ich mich auf zu Hause freuen sollte. Ich hatte keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken, da ich nach Tanja in die Physio musste, mein letzter Termin in dieser Woche. Schnell habe ich mir noch etwas Geld eingesteckt, damit ich im Nachhinein in der Cafeteria einkehren wollte. Als ich bei Tanja war, erzählte ich ihr von dieser Nachricht. Tanja versicherte mir, dass sie in den Besprechungen trotzdem für eine weitere Verlängerung für mich plädieren wird.

Als ich am Abend mit Dany telefonierte erzählte ich davon. Dany meinte im Nachhinein, eine Verlängerung wäre schön gewesen, aber schöner ist es, dass du wieder nach Hause kommst. Dieser Satz von Dany ließ die Sonne wieder scheinen und meine Freude auf zu Hause wurde größer. Somit stand das letzte Wochenende bevor.

Die letzte Woche konnte beginnen

An diesem letzten Sonntag wurden schon Sachen, die ich nicht mehr benötigte wieder mitgenommen. Es war schon komisch, als feststand, dass es am 7. Dezember wieder nach Hause geht, da machte sich bei mir schon eine Aufbruch Stimmung breit. Irgendwie war plötzlich der Wind raus. Die Therapien in den letzten vier Tagen waren nur noch ein Pflichtprogramm. In der letzten Woche habe ich mir angewöhnt, nach dem Abendbrot noch mal in die Cafeteria zu fahren um einen Kaffee zu trinken. Meist war ich der Einzige dort. Es war sehr angenehm, dort die Ruhe zu genießen. So zählten die Tage herunter. Auf der Station hat man noch mal versucht, meine Reha zu verlängern. Wäre schön, wenn es funktioniert, doch ich glaube nicht mehr daran.

Mittwochnachmittag kam ich von meiner letzten Therapie. Auf dem Flur fing mich Schwester Nicole ab. Sie flüsterte mir ins Ohr, ich darf dir das nicht sagen, aber richte dich darauf ein, die Verlängerung für dich wurde abgelehnt. Das hieß für mich im Klartext, am Freitag geht’s nach Hause. Als ich auf meinem Zimmer war, stellte ich mir die Frage, soll ich mich ärgern oder soll ich mich freuen. Egal dachte ich, übermorgen geht’s nach Hause. Mir kam plötzlich ein Geistesblitz. Ich habe Frau Mückler angerufen und habe gefragt, ob sie noch einen Moment Zeit für mich hat, da ich am Freitag entlassen werde. Frau Mückler war die Diplom Psychologin, die mich während meines ersten Schlaganfalls betreut hatte. Als ich am Abend meinen Therapieplan für den letzten Tag bekam, hatte ich tatsächlich am nächsten Tag einen Termin bei Frau Mückler.

Irgendwie war mir das ein bisschen komisch, ein Termin mit einer Psychologin, ich bin doch nicht bekloppt. Warum habe ich geistesgegenwärtig um einen Termin gebeten? War das eine Kurschlusshandlung? Ich stellte meine spontane Reaktion in Frage. Na ja, ich hatte bei Frau Mückler angeklopft und sie hat herein gesagt. Also, nehme ich den Termin war. Ich war pünktlich dort und wartete auf Frau Mückler. Mensch Arens habe ich zu mir gesagt, was soll der Scheiß. Bin ich wirklich bekloppt. Kaum hatte ich das Wort bekloppt zu Ende gedacht, ging die Türe auf und Frau Mückler begrüßte mich freudestrahlend und sagte, Guten Tag Herr Arens, schön sie mal wieder zu sehen. Ich fuhr in ihr Büro und Frau Mückler sagte, womit kann ich ihnen helfen, Herr Arens.

Hm, gab ich zum Besten, eigentlich gar nicht, im Grunde läuft es einigermaßen rund. Ich war mir bis gerade nicht sicher, ob ich sie wegen ein paar Kleinigkeiten aussuchen sollte. Aber, mich würde es schon interessieren, ob meine Einstellungen OK sind, oder ob ich da neben der Spur bin. Schließlich ist es nicht einfach, wenn zwei Welten aufeinander treffen. Damit meine ich den Schlaganfallbetroffenen und den gesunden Menschen. Auch wenn es im grünen Bereich liegt, gibt es schon einige Punkte, die mich schon beeinflussen.

Ich erzählte Frau Mückler, dass ich mich schon unter Druck gesetzt fühle, wenn man mir sagt, ich müsste mehr machen. Es ist auch nervig, wenn man mir ständig in den Ohren hängt, ich solle doch mal zu Besuch kommen. Wenn ich dort hingehe, dann bin ich gezwungen, auch zu anderen zu gehen. Das ist lieb gemeint und alles schön und gut, doch keiner sieht das Problem mit der Toilette. Ich werde ständig angehalten, zu Freunden zum Grillen zukommen. Der Grillplatz ist ziemlich vom Haus entfernt und das Haus wäre für mich sehr schwer zu erreichen. Somit wäre das Problem mit der Toilette enorm groß. Wenn ich nur für kleine Königstiger müsste, wäre das kein Problem. Wir können kurz mit der AOL Pulle im Anschlag hinter der Garage verschwinden. Aber was ist, wenn der Darm ruft? Muss nicht sein! Aber wenn??? Dann klatscht die Spastik in die Hände und das Chaos ist vorprogrammiert.

Jedenfalls hatte ich kurz die Gelegenheit, einige Dinge und meinen Standpunkt darzulegen. Sie antwortete nur: Da ist im Grunde genommen nichts gegen einzuwenden. Es ist bestimmt nicht immer einfach, auch nicht für ihr Umfeld, doch man sollte versuchen, einen Mittelweg finden. Schnell berichtigte ich noch meinem Projekt mit dem Brötchenschneider ein, auf der Idee ich in der Reha kam.

Als ich mich von Frau Mückler verabschiedete, sagte sie mir, schade, dass sie nicht früher zu mir gekommen sind. Es war interessant mit ihnen zu reden. Die meisten Schlaganfallpatienten haben Hemmungen und wollen gar nicht über die Problematik aus dem Alltag sprechen. Zum Schluss sagte sie mir: Herr Arens, wenn sie wieder einmal im Hause sind, da kommen sie früher zu mir. Es ist interessant zu hören, wie es den Patienten im Alltag ergeht. Ja sagte ich, das werde ich machen. Aber von meiner Geschichte werde ich eine Homepage erstellen, da können sie sich auf dem Laufenden halten.

So, dass war meine letzte Amtshandlung, sprich Therapiestunde. Mit einem Boxenstopp in der Cafeteria bin ich wieder auf mein Zimmer. Was habe ich da wohl gemacht? Richtig, ich habe meine Piano CD in den CD Player eingelegt, mich ans Fenster gesetzt und habe bei den beruhigende Klängen des Pianos meine Tage in der Reha Revue passieren lassen. Die fünf Wochen sind verdammt schnell vergangen. Hat mir die Reha was gebracht? Ja, das hat sie. Meine Spastik war wieder etwas heruntergefahren worden. Mein Gang Bild hat sich wieder gebessert. Die Therapiestunden mit Tanja, mit Frau Hahn, auch die Zeit bei Frau Schipp, sowie das Vierzellenbad bei Frau Gattwinkel haben sehr viel dazu beigetragen. Zwar war ich mit meinem Gesamtzustand, den ich erreichen möchte, noch nicht zufrieden, aber wenn wir zu Hause weiter daran arbeiten, dann werde ich bestimmt eines Tages richtig gehen können, vielleicht sogar ohne Gehhilfe.

Morgen geht es wieder nach Hause

Die Aufbruch Stimmung machte sich breit und breiter. Ich fieberte den Freitag entgegen und freute mich auf Dany. Langsam wurde es Zeit, meine Sachen aufzuräumen, mit denen ich mich in den letzten Wochen beschäftigt hatte. Während ich voll beschäftigt war, kam mein Abendbrot. Herrlich, mein letztes Abendbrot. Zum letzten Mal genoss ich den leckeren Tee, der jeden Abend zum Abendbrot serviert wurde. Nachdem Abendbrot bin ich noch mal in die Cafeteria. Auch hier hatte ich bei einer Tasse Kaffee die letzten Wochen Revue passieren lassen. Es war schon komisch, in der großen Halle und auch in der Cafeteria war alles weihnachtlich geschmückt. Ich erinnerte mich, vor zwei Jahren bin ich in die Reha gekommen, genau am 7. Dezember. Und jetzt, am 7. Dezember werde ich entlassen und fahre nach Hause.

Endlich, der 7. Dezember ist gekommen. Ich war schon sehr früh wach. Klar, ich war aufgeregt und meine Freude auf Dany war enorm groß. Die letzte Prozedur, Unterbodenwäsche, anziehen, ins Badezimmer die Morgentoilette... und dann... mein letztes Frühstück, mit leckeren Kaffee, der leckeren Brötchen, einfach köstlich. Nun begann das Warten. Alles war gepackt und mir blieb nichts anderes übrig, als der Fernseher oder aus dem Fenster zu schauen.

Während ich aus dem Fenster schaute, klopfte es an der Türe und die Stationsärztin, Frau Dr. Eberle trat herein. Hallo Herr Arens, ich wollte mich auch von ihnen verabschieden. Frau Dr. Eberle erzählte mir, dass sie gestern noch bei der Krankenkasse angerufen hat, um für mich noch eine Verlängerung raus zu schlagen. Doch die Krankenkasse blieb stur. Schade sagte sie, in ihnen steckt noch jede Menge Potential und es wäre schade, dieses Potential vor die Säue zu werfen. Mit Frau Dr. Eberle habe ich mich noch einige Zeit unterhalten. Auch mit ihr habe ich über die Spielerei mit der Lioresal gesprochen. Sie fand es nicht nur schade, sondern auch merkwürdig, warum dass nicht mit mir und den Therapeuten abgeklärt wurde, zumal es doch keinen Grund und keine Veranlassung gegeben hatte. Frau Dr. Eberle bestätigte mir, wenn die Lioresal oder ein anderes Antispastikum reduziert oder abgesetzt werden soll, dass diese Phase langfristig und ausschleichend vonstattengehen und auch mit ausreichender Gymnastik begleitet werden sollte. Zum Schluss erzählte ich ihr von meiner geplanten Homepage und das ich in der Reha auf die Idee gekommen bin, einen Brötchenschneider zu entwerfen. Diese Idee fand sie gut, zumal das Angebot dieser Art von Hilfsmittel nicht gerade rosig ist. Ich habe mich bei ihr für die hervorragende Betreuung auf der E1 bedankt und ihr bestätigt, dass die Reha für mich schon einiges gebracht hat.

Es hat nicht lange gedauert und Dany stand im Zimmer. Gott sei Dank, der Zeitpunkt war gekommen. Dany durfte freundlicherweise unser Auto in der Tiefgarage abstellen. Schnell haben wir meine Sachen ins Auto gebracht. Anschließend begann meine Verabschiedungstour. Ich habe mich bei allen noch mal persönlich für die angenehme Zeit und die Geduld, die man mit mir gehabt hat, bedankt. Zum Schluss noch schnell einen Cappuccino zum Abschied und es ging wieder... nach Hause.

Heimat… ich komme wieder!

Die Reha habe ich hinter mir gebracht und es war gar nicht so schlimm, wie ich auf meiner Anreise befürchtet habe. Langsam näherten wir uns der Heimat. Endlich war ich wieder zu Hause. Schnell zum Telefon gegriffen und ich habe mich bei einigen wieder zurück gemeldet. Bei einer Tasse Kaffee habe ich erst mal alles sacken lassen. Ach, ist das schön, wieder zu Hause zu sein.

Was die Therapien für den Rest des Jahres anging, lief außer der Logopädie nichts. Wäre auch blöd gewesen, in zwei Wochen ist schon Weihnachten. Somit konnten wir uns auf die Weihnachtszeit konzentrieren. Obwohl, Weihnachten ist für mich eine der grausamsten Zeiten geworden. Es hat sich nach dem zweiten Schlaganfall drastisch geändert. Auch wenn man mich dazu auffordert und ermutigt, komm, nun freu’ dich auf Weihnachten, ist doch eine schöne Zeit, es bleibt dabei, für mich eine schreckliche Zeit. Ich bin froh, wenn wir den ersten Wochentag im Januar haben. Diese Zeit schlägt mir gewaltig aufs Gemüt. Wir haben die Weihnachtszeit, trotz meines Unbehagens, gut überstanden.

Das Jahr war recht erfolgreich...

Jede Begegnung, die unsere Seele berührt,
hinterlässt in uns eine Spur, die nie ganz verweht.